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sich entweder auf andere - als Liebe; oder sie richte sich auf uns
selbst - als Selbstliebe. Liebe und Selbstliebe schließen sich
dabei gegenseitig aus: Je mehr von der einen, um so weniger ist
von der anderen vorhanden. Ist aber die Selbstliebe etwas
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In seiner Besprechung meines Buches The Sane Society hat Paul Tillich
(1955) vorgeschlagen, den mehrdeutigen Ausdruck »Selbstliebe« durch
»natürliche Selbstbestätigung« oder durch »paradoxe Selbstannahme« zu
ersetzen. Obwohl viel für seinen Vorschlag spricht, bin ich in diesem Fall
doch nicht seiner Meinung. Im Begriff »Selbstliebe« wird das in der
Selbstliebe enthaltene paradoxe Element deutlicher. Es ist darin zum
Ausdruck gebracht, daß die Liebe eine Einstellung ist, die gegenüber allen
ihren Objekten, einschließlich meiner selbst, die gleiche ist. Auch ist nicht zu
vergessen, daß der Begriff »Selbstliebe« in der hier gebrauchten Bedeutung
eine Geschichte hat. Die Bibel spricht von Selbstliebe, wenn es in dem
betreffenden Gebot heißt: »Liebe deinen Nächsten wie dich selbst«; und auch
Meister Eckhart spricht im gleichen Sinn von Selbstliebe.
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Schlechtes, so folgt daraus, daß Selbstlosigkeit eine Tugend ist.
Hier erheben sich folgende Fragen: Bestätigen psychologische
Beobachtungen die These, daß zwischen der Liebe zu sich selbst
und der Liebe zu anderen ein grundsätzlicher Widerspruch
besteht? Ist Liebe zu sich selbst das gleiche Phänomen wie
Selbstsucht, oder sind Selbstliebe und Selbstsucht Gegensätze?
Ferner: Ist die Selbstsucht des modernen Menschen tatsächlich
ein liebevolles Interesse an sich selbst ah einem Individuum mit
allen seinen intellektuellen, emotionalen und sinnlichen
Möglichkeiten? Ist »er«, der moderne Mensch, nicht vielmehr
zu einem Anhängsel an seine sozioökonomische Rolle
geworden? Ist seine Selbstsucht wirklich dasselbe wie
Selbstliebe, oder ist die Selbstsucht nicht geradezu die Folge
davon, daß es ihm an Selbstliebe fehlt?
Bevor wir den psychologischen Aspekt der Selbstsucht und
der Selbstliebe nun diskutieren, ist zu unterstreichen, daß die
Auffassung, die Liebe zu anderen Menschen und die Liebe zu
sich selbst schlössen sich gegenseitig aus, ein logischer
Trugschluß ist. Wenn es eine Tugend ist, meinen Nächsten als
ein menschliches Wesen zu lieben, dann muß es doch auch eine
Tugend - und kein Laster - sein, wenn ich mich selbst liebe, da
ja auch ich ein menschliches Wesen bin. Es gibt keinen Begriff
vom Menschen, in den ich nicht eingeschlossen wäre. Eine
These, die das behauptet, würde sich damit als in sich
widersprüchlich ausweisen. Die im biblischen Gebot: »Liebe
deinen Nächsten wie dich selbst« ausgedrückte Idee impliziert,
daß die Achtung vor der eigenen Integrität und Einzigartigkeit,
die Liebe zum eigenen Selbst und das Verständnis dafür nicht
von unserer Achtung vor einem anderen Menschen, von unserer
Liebe zu ihm und unserem Verständnis für ihn zu trennen sind.
Liebe zu meinem Selbst ist untrennbar mit der Liebe zu allen
anderen Wesen verbunden.
Damit sind wir bei den grundlegenden psychologischen
Prämissen angekommen, auf denen sich unsere Argumentation
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aufbaut. Es handelt sich dabei ganz allgemein um folgende
Voraussetzungen: Nicht nur andere, auch wir selbst sind
»Objekte« unserer Gefühle und Einstellungen; dabei stehen
unsere Einstellungen zu anderen und die zu uns selbst
keineswegs miteinander im Widerspruch, sondern hängen eng
miteinander zusammen. In bezug auf das hier erörterte Problem
bedeutet dies: Die Liebe zu anderen und die Liebe zu uns selbst
stellen keine Alternative dar; ganz im Gegenteil wird man bei
allen, die fähig sind, andere zu lieben, beobachten können, daß
sie auch sich selbst lieben. Liebe ist grundsätzlich unteilbar;
man kann die Liebe zu anderen Liebes-: : Objekten« nicht von
der Liebe zum eigenen Selbst trennen. Echte Liebe ist Ausdruck
inneren Produktivseins und impliziert Fürsorge, Achtung,
Verantwortungsgefühl und »Erkenntnis«. Sie ist kein »Affekt«
in dem Sinn, daß ein anderer auf uns einwirkt, sondern sie ist ein
tätiges Bestreben, das Wachstum und das Glück der geliebten
Person zu fördern. Dieses Streben aber wurzelt in unserer
eigenen Liebesfähigkeit.
Einen anderen lieben bedeutet eine Aktualisierung und ein
Konzentrieren der Liebesfähigkeit. Die grundsätzliche in der
Liebe enthaltene Bejahung richtet sich auf die geliebte Person
als die Verkörperung von Eigenschaften, die zum Wesen des
Menschen gehören. Einen Menschen lieben heißt alle Menschen
als solche lieben. Jene »Arbeitsteilung«, von der William James
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